Schuld und Unschuld • Lernen von einem Biedermeierhaus in Braunau



Studienjahr 2017/18
Stefan Perperschlager
Masterarbeit
Andreas Lechner
Typology: AnalysisCulture

Braunau am Inn liegt an der Grenze zu Deutschland und bildet ein grenzübergreifendes Mittelzentrum. Mit jahrhundertealter Bausubstanz ist sie die älteste und bevölkerungsreichste Stadtgemeinde im oberösterreichischen Innviertel. In dieser Stadt wurde ich geboren, ging zur Schule und habe dort den Großteil meiner Jugend verbracht. Wenn man als Braunauer auf Reisen geht und über seine Herkunft spricht, merkt man schnell, dass die Stadt nicht nur in Oberösterreich als Geburtsstadt von Adolf Hitler bekannt ist. Dieser Umstand manifestiert sich in Braunau in Form des Geburtshauses des Diktators mit der Adresse „Salzburger Vorstadt 15“. Vor diesem Symbol für die Verbindung von Hitler und Braunau erinnert ein Mahnstein an die Verbrechen des Nazi-Regimes und die Millionen Opfer des Zweiten Weltkriegs. 
 Wie erfolgte die Mystifizierung der Geburtsstätte des Diktators und wie lässt heute ein „entmystifizierender“ Umgang mit diesem Symbol und Erinnerungsträger denken? Wie kann eine moderne, aufgeklärte Gesellschaft mit den „Gespenstern“ der Geschichte umgehen? Was kann Architektur als baulich-diskursiver Beitrag zum Ort der Geburt Hitlers leisten? Das Geburtshaus von Hitler besitzt eine wesentlich reichere Geschichte und ist durch viele Ereignisse und Menschen mit den unterschiedlichsten Erinnerungen aufgeladen. Seit dem Ende des nationalsozialistischen Regimes wurde dem Haus jedoch nicht viel Bedeutung zugesprochen. Vor allem bis zum Auszug der Lebenshilfe wurde das Thema wenig bis gar nicht im öffentlichen Diskurs behandelt, wobei sich die Stadt Braunau stets um einen verantwortungsvollen Umgang mit dem schwierigen Erbe bemüht hat. Durch die verstärkte politisch-mediale Polarisierung rückte auch das Gebäude in Braunau stärker in den Fokus der Öffentlichkeit und damit auch der Mythos rund um das Gebäude, von dem auch die meisten Experten sprechen. Wie lässt sich dieser Geburtsort Hitlers entmystifizieren, wie lässt sich ihm das „Geheimnisvolle“ nehmen? Durch Abriss? Die Geschichte eines Ortes und die Erinnerung an diesen kann nicht abgerissen und damit gelöscht werden. Eine „Öffnung“ des Hauses kann aber durch gezielte architektonische Eingriffe dem Ort zu einer neuen Erinnerungsschicht und Identität verhelfen. Eine nüchterne Darstellung der Realität historischer Fakten ebenso wie öffentliche Nutzungen und breite Zugänglichkeit kann einen neuen Raum für die Bewohner und Besucher der Stadt schaffen. Transparenz, Durchmischung, Freilegung und Platzschaffung sind dabei die maßgeblichen Leitlinien für einen architektonischen Entwurf.